Politische Bankrotterklärung zur Umsetzung der inklusiven Schule

Konsterniert verfolgen wir die Debatte zum geplanten Auslaufen der Förderschulen Lernen im Sekundarbereich. Es ist immer wieder die Rede davon, dass es eine Gestaltungsdebatte braucht - das ist absolut richtig! Aber:

Aus unserer Perspektive wirkt diese Aussage wie eine politische Bankrotterklärung! Diese Aussage zeigt, dass man den Eltern sowie den betroffenen Schülerinnen und Schülern, die künftig keine Förderschule Lernen mehr besuchen können, zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht sagen kann, mit welchen KONKRETEN Maßnahmen man ihnen zu einer angemessenen Bildungsteilhabe und zu so viel Qualifizierung wie möglich, an inklusiven Schulen verhelfen will!
Das ist man diesen Familien aber schuldig!

Wir fordern die Politik daher auf, unabhängig von irgendwelchen strukturellen Veränderungen, die Ausgangslage unserer Schulen sorgfältig zu überprüfen. Auf dieser Grundlage sollte dann entschieden werden, in welchen zeitlich definierten Schritten man das Ziel, die Tore der Förderschulen Lernen endgültig zu schließen, pädagogisch verantworten kann.

Nachfolgend dazu noch einige Überlegungen:

Der vds hat in seiner Pressemitteilung „Vielleicht auch eine Folge der schlechten Umsetzung der inklusiven Schule?“ vom 22.10.2022 darauf hingewiesen, dass

  • • seit 2018 der Anteil der Jugendlichen ohne Schulabschluss in fast allen Bundesländern weiter angestiegen ist.
  • • die Schulabbrecherquote in den Stadtstaaten weit über dem Bundesschnitt liegt.
  • • jeder zehnte Jugendliche im Land Bremen sowie in Sachsen-Anhalt die Schule ohne Abschluss verlassen hat.
  • • 5 - 10 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland regelmäßig schulabsentes Verhalten zeigen, d. h. sie fehlen immer wieder im Unterricht und sind Schulmeider.

Derzeit leiden alle Bildungseinrichtungen unter einem massiven Fachkräftemangel, der uns laut Einschätzung unserer Kultusministerin noch die nächsten 10 Jahre begleiten wird - die ständige wissenschaftliche Kommission der KMK geht sogar von 20 Jahren aus. Die Unterrichtsversorgung befindet sich „im freien Fall“ und die im Oktober 2021 veröffentlichten Ergebnisse des IQB-Bildungstrends bescheinigen unseren Viertklässlern das dritte Mal in Folge sich verschlechternde Kompetenzen in Deutsch und Mathematik. In diesem Herbst werden im Übrigen die Ergebnisse des IQB-Bildungstrends für die Sekundarstufe erwartet - ich gehe davon aus, dass diese ähnlich alarmierend ausfallen werden.

Die sich zuspitzenden Probleme bei der Unterrichtsversorgung haben für inklusiv unterrichtete Schülerinnen und Schüler mit einem festgestellten sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf fatale Folgen. Es droht ihnen ein weiterer Entzug der notwendigen sonderpädagogischen Unterstützung! Denn: Lehrermangel hat Folgen für alle Schülerinnen und Schüler und somit für die inklusive Bildung. Wenn die reguläre Stundentafel an einer Grundschule oder an einer weiterführenden Schule nicht mehr abgedeckt werden kann, muss die Schule auf die Stunden zurückgreifen, die Schülerinnen und Schülern mit Behinderung oder drohender Behinderung dort das Lernen ermöglichen. (Erlass „Klassenbildung und Lehrerstundenzuweisung 2.)

Seit über fünf Jahren steht die Überprüfung der Ausgangslage unserer Schulen auf der „To-do-Liste“ der jeweiligen Landesregierungen. Seit fünf Jahren ist in dieser Richtung nichts passiert. 10 Jahre sind seit Einführung der „inklusiven Schule“ vergangen und immer noch sind unsere Bildungsstätten, bis auf einige wenige Einzelfälle, zu weit davon entfernt, dem Anspruch einer inklusiven Schule zu entsprechen.

Ein solcher „Einzelfall“, ist zum Beispiel die Grundschule am Lerchenberg in Wesendorf, die seit vier Jahren mit einem Pilotprojekt wissenschaftlich belegt beweisen kann, dass Klassenassistenzen allen Schülerinnen und Schülern die Bildungsteilhabe ermöglichen und ihnen zu so viel Qualifizierung wie möglich verhelfen. Außerdem hat sich erwiesen, dass Lernschwierigkeiten im Laufe des Projektzeitraums abgenommen haben.

Das Projekt der Grundschule Wesendorf wird mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Ablauf des nächsten Schuljahres, wie viele andere Projekte davor, trotz nachgewiesener, guter Ergebnisse beendet werden. Es wird also - aus Kostengründen - nie den Projektstatus verlassen und verstetigt werden. Das macht fassungslos und lässt einem eigentlich keine andere Wahl, als am politischen Willen zur erfolgreichen Weiterentwicklung der inklusiven Schule zu zweifeln.

Statt sich gegenseitig Versäumnisse vorzuwerfen und sich darüber zu streiten, welche Strukturen erhalten, und welche geschlossen werden, sollte die Politik endlich ihrer Verantwortung nachkommen und die erforderlichen Rahmenbedingungen für die inklusive Entwicklung der Schulen schaffen. Dabei müssen unbedingt Erkenntnisse der Wissenschaft, wie bspw. die der Grundschule in Wesendorf, mit einbezogen werden.

Die allgemeine Überforderung der Schulgemeinschaften und der sich immer weiter zuspitzende Fachkräftemangel haben zu erheblichen Vertrauensverlust in unseren Schulgemeinschaften geführt. Wenn jetzt nicht angemessen reagiert wird, kommt es zu Verteilungskämpfen und infolge könnte die Akzeptanz der Inklusion mehr und mehr in Frage gestellt werden und weiteren Schaden nehmen.

Steuern Sie endlich in die richtige Richtung - gestalten Sie inklusive Schule jetzt konzeptgesteuert, systematisch, transparent und nachvollziehbar! Inklusion wird schlussendlich nur erfolgreich gelingen, wenn sie auf Grundlage eines breiten, gesellschaftlichen Konsenses gestaltet wird.

Mit „frustrierten“ Grüßen

Ihr Bildungsblock

Bildungsblock – weil Bildung eine Lobby braucht!

2023-04-05 PolitischeBankrotterklaerung.pdf

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